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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 20.06.2013

Die Bundesanwaltschaft verweigert notwendige ergänzende Ermittlungen und schafft damit weiteres Misstrauen bei den Nebenklägern.

Der Verhandlungstag begann mit der abschließenden Vernehmung von Carsten S. durch die Sachverständigen, die allerdings nur wenige noch offene Fragen hatten. Darauf erfolgten verschiedene Stellungnahmen zu der Aussage von Carsten S. und der verlesenen Erklärung von Holger G. Solche Stellungnahmen können nach jeder Beweiserhebung nach der Strafprozessordnung von allen Verfahrensbeteiligten abgegeben werden. Die Verteidigung von Wohlleben widersprach der Verwertung der Aussage von Carsten S., weil sie ihm selbst keine Fragen stellen konnte. Die Verteidigung von Frau Zschäpe bezog sich auf die Einlassung von Holger G. und kritisierte, dass er keinerlei Fragen zur Sache beantworten wollte.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

Die Einwände der Verteidigung von Wohlleben gegen die Verwertbarkeit der Aussage von Carsten S. sind rechtlich und tatsächlich nicht haltbar. Ein Angeklagter kann grundsätzlich selbst entscheiden, ob er Fragen beantwortet. Es ist sein gutes Recht, dabei Antworten auf Fragen bestimmter Verteidiger verweigern. Es ist nachvollziehbar, dass Carsten S. Fragen der Verteidigung von Wohlleben nicht beantworten will, solange sich dieser nicht selbst erklärt. Es handelt sich bei einem derartigen Einlassungsverhalten auch nicht um eine Frage der Verwertbarkeit der gemachten Angaben zu Sache, sondern um eine Frage der Beweiswürdigung. Wenn die Verteidigung von Zschäpe meint, die verlesene Erklärung von Holger G. lasse viele Fragen offen, so stimmt das. Auch wir hätten eine Befragungsmöglichkeit begrüßt. Allerdings ist es nicht etwa so, dass Holger G. der alleinige Hauptbelastungsbeweis wäre. Es gibt eine Vielzahl von weiteren objektiven Beweismittel, die die Mittäterschaft von Frau Zschäpe belegen.

Danach ging es noch um die Frage, wann die von der Bundesanwaltschaft angekündigte Liste mit den 400-500 Personen aus dem Umfeld des NSU vorgelegt wird. Dies war eigentlich für diese Woche angekündigt worden. Ferner wurde nachgefragt, ob die Bundesanwaltschaft nunmehr Nachermittlungen zur Person von Robin S. und möglichen Verbindungen zum NSU anstellt. Robin S. war als Empfänger eines längeren persönlichen Briefes von Frau Zschäpe aus der Haft aufgefallen. Es stellt sich die Frage, ob der nach Schüssen auf einen Migranten verurteilte mutmaßliche Rechtsextremist aus Dortmund schon vor der Inhaftierung mit Frau Zschäpe, Mundlos oder Böhnhardt selbst oder über Dritte Kontakt hatte. Die Bundesanwaltschaft meinte hingegen, dass sie keine Anhaltspunkte für Ermittlungen in Bezug auf Robin S. sehe.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

Es ist absolut unverständlich, dass die Bundesanwaltschaft diesem Ermittlungsansatz offensichtlich bislang nicht nachgeht. Ob mehr dahinter steht, als eine Brieffreundschaft aus der Haft, muss dringend abgeklärt werden. Nach Medieninformationen soll Robin S. in der Neonaziszene Dortmunds zumindest vor seiner Inhaftierung gut integriert gewesen sein. Die Waffe für seine Tat soll ihm der V-Mann Sebastian S. geliefert haben. Robin S. soll zum Umfeld der „Oidoxie Streetfighting Crew“ gehört haben, einer gewaltbereiten Gruppe um die Band „Oidxie“, die Lieder u.a. mit Aufrufen zum bewaffneten Kampf nach dem Konzept Combat18 publiziert haben soll. In dem Ermittlungsverfahren gegen Frau Zschäpe wurden zeitweise mehrere hundert Beamte des BKA und der LKA’s eingesetzt. Nahezu jede Person, die in Kontakt zu Beate Zschäpe stand, wurde vernommen. Allein die von 7 Staatsanwälten formulierte Anklageschrift umfasst mehr als 600 Zeugen. Warum die Bundesanwaltschaft vorher jeden Stein umdreht, nun aber bei einem wesentlichen und offensichtlich vertrauten Kontakt von Zschäpe keinerlei Ambitionen an den Tag legt, ist nicht nachvollziehbar. Selbst das Innenministerium NRW geht von Anhaltspunkten aus, dass sich Zschäpe und Robin S. schon vor ihrem Briefverkehr kannten. Nun werden wir entsprechende Anträge vorbereiten, dass zumindest das Gericht dieser Spur nachgeht. Die Bundesanwaltschaft provoziert mit ihrem Verhalten ein weiteres nachvollziehbares Misstrauen der Nebenklägerinnen und Nebenkläger. Wie sie ohne entsprechende Ermittlungen zu dem Schluss kommt, dass die Spur nicht wichtig ist, bleibt nebulös. Es wäre ein Leichtes für die Bundesanwaltschaft, den ihr zu Verfügung stehenden immensen Ermittlungsapparat zur Abklärung einzusetzen – und sei es um ihre Vermutung zu bestätigen, dass Robin S. keine Verbindung zum Trio hatte.“