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Pressemitteilung vom der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 09.07.2013

Holger G. verwickelte sich in Widersprüche. Andre E. will (erstmal) nicht mehr kommen.

Zunächst wurde ein Bundesanwalt gehört, der zwei der Vernehmungen des Angeklagten Holger G. durchgeführt hat. Bei einem Besuch des Trios auf dem Rückweg vom Urlaub sei, so Holger G. anfangs, zufällig sein Reisepass im Auto gefunden worden, den er als „Freundschaftsdienst“ dem Trio zur Verfügung gestellt habe. Die tatsächlichen Kontakte zu „den Dreien“ habe er als minimal dargestellt. Aus der rechten Szene habe er sich gelöst. Später habe er dann klargestellt, dass diese Angaben teilweise unzutreffend waren. Insbesondere habe er extra einen Reisepass für Böhnhardt oder Mundlos anfertigen lassen. Später seien dann sogenannte „Systemchecks“ erfolgt. Zschäpe habe die Finanzen im Griff gehabt. Die Angaben von Holger G. seien insgesamt, so der Bundesanwalt, wenig stringent. Die Vernehmung sei eine „Zangengeburt“ gewesen. G. sei sehr nervös gewesen, die Informationen wären nur scheibchenweise gekommen.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

“Leider wurden in den richterlichen Vernehmungen viele Fragen nicht gestellt. Nun will Holger G. in der Verhandlung keine Fragen beantworten, weshalb alle Verfahrensbeteiligten auf die vorangegangen Erkenntnisse angewiesen sind. Das macht es nicht immer einfach, die Angaben nachzuvollziehen. So wurde scheinbar nicht weiter thematisiert, wozu die Drei erst eine scharfe Waffe und dann noch die falsche Identität von Holger G. haben wollten, wenn sie sich angeblich – wie Holger G. berichtet haben soll – eine legale Existenz aufgebaut haben sollen und einen Computerladen betrieben hätten. Auch wurden in den Vernehmungen offensichtlich keine weitergehenden Fragen zu seinem vermeintlichen Ausstieg aus der rechten Szene gestellt. Insgesamt erscheint die Vernehmung nicht sehr tiefgehend.“

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Holger G. hat sich, zumindest was seinen eigenen Tatbeitrag betrifft, mehrfach in Widersprüche verwickelt. Er hat sich und Zschäpe dabei zumindest partiell belastet. Auch wenn seine Aussagen sicherlich kritisch zu würdigen sein werden, ergeben sie doch zusammen mit vielen anderen objektiven Beweismitteln ein Bild vom konspirativen Verhalten des Trios im Untergrund und der Unterstützung durch Holger G.“

Nachmittags wurde einer der beiden Bauarbeiter aus dem in Brand gesetzten Haus in der Frühlingsstraße weiter vernommen. Er hatte fast täglich losen Kontakt mit dem Trio. Mit Böhnhardt hatte er über die Baustelle mehrfach gesprochen. Insbesondere wollte er wissen, wann mit den Bauarbeiten in der Wohnung des Trios begonnen werden solle. Der Bauarbeiter hatte noch versucht, die ältere Nachbarin von Zschäpe vor dem Brand zu retten.

Die Verteidigung von Andre E. meldete sich nunmehr erstmals zu Wort. Sie möchte, dass Andre E. und seine Verteidiger hinsichtlich der weiteren Teilnahme am Prozess, soweit Tatvorwürfe verhandelt werden, deren er nicht angeklagt ist, freigestellt werden. Die Bundesanwaltschaft trat dem entgegen, da es sich um Organisationsdelikte handelt und daher alle Tatvorwürfe auch bezüglich Andre E. Von Bedeutung sind.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine ununterbrochene Anwesenheit der Angeklagten notwendig, auch wenn Teile verhandelt werden, deren sie nicht angeklagt sind, wenn sie den jeweiligen Angeklagten zumindest auch mittelbar betreffen können. Da es immer auch um die Struktur und Organisation des NSU geht, kann nach dieser Rechtsprechung eine Beurlaubung von Andre E. nach § 231c StPO nicht erfolgen. Er wird sich weiter dem Prozess stellen müssen.

Zuletzt wurden zwei Polizeibeamte gehört, die im Fall Simsek eingesetzt waren. Der erste Beamte (inzwischen im Ruhestand) berichtete, wie er den blutverschmierten "hechelnden" Enver Simsek in seinem Lieferwagen fand, nachdem zuvor jemand mitgeteilt hatte, dass der Blumenstand nicht besetzt ist. Danach folgte die Vernehmung des Beamten, der im Fall Simsek die Tatortarbeit gemacht hatte. Dabei wurden zahlreiche Tatortfotos in Augenschein genommen.