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Pressemitteilung vom der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 10.07.2013

Zusammenhängen mit dem Nagelbombenanschlag in Köln wurde 2007 nur halbherzig nachgegangen

Zunächst hörten wir heute einen Spurensicherer der Nürnberger Polizei, der den Tatort untersucht hat, an dem die Schüsse auf Enver Simsek abgefeuert wurden. Nach dem Verlauf der Blutspritzer im Kleintransporter liegt es nahe, dass auf Enver Simsek durch die geöffnete Seitentür des Transporters geschossen wurde, als dieser sich gerade stehend im inneren des Fahrzeugs befand. Die Straße, an der sich der Blumenverkaufsstand befand, sei zum Tatzeitpunkt durch Autos und Fahrräder stark frequentiert gewesen.

Danach sagte ein Augenzeuge aus, der aus seinem Auto heraus beim Vorbeifahren mehrere metallische klingende Schlaggeräusche gehört hatte. Er sah zwei Männer mit kurzen Haaren, einer mit Basecup, in Radfahrerkleidung, die sich schnell vom Lieferwagen entfernten. Seine Beschreibung lässt sich mit Böhnhardt und Mundlos durchaus in Einklang bringen. Der Zeuge konnte differenzieren, was er nach 13 Jahren noch in Erinnerung hat und was er nicht mehr weiß. Damals hatte er noch ausgesagt, dass einer der Männer mit der rechten Hand ins Auto gelangt hatte. An seine jedenfalls nach den Akten existente und ihm im Einzelnen vorgehaltene weitere Vernehmung aus dem Jahr 2007 erinnerte er sich nicht. Damals sollen ihm Videosequenzen von der Überwachungskamera aus Köln in Zusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag vorgeführt worden sein. An die Passage in dieser Vernehmung, in der er meinte, der Täter könnte durchaus eine Ähnlichkeit mit der Person, die in Köln ein Fahrrad schiebt, aufweisen, konnte er sich ebenfalls nicht erinnern. Auch sein Sohn, der damals Beifahrer war, wurde vernommen und bestätigte, dass er damals zwei Männer vor dem Lieferwagen gesehen habe. Er konnte sich ferner erinnern, dass ihm später Videos aus Köln vorgespielt wurden, darauf habe er allerdings niemanden konkret erkennen können, da er die Gesichter nicht erinnern könne.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Die „BAO Bosporus“ hatte 2007 eine konkrete Verbindung zwischen dem Nagelbombenattentat in Köln und der so genannten Ceska-Mordserie hergestellt. Sie ist dieser Spur allerdings viel zu spät und nur halbherzig nachgegangen. Der Anschlag in Köln 2004 und die Tatsache dass dort zwei Männer mit Fahrrädern Tatverdächtige waren, hätte bereits viel früher in Verbindung mit der Ceska-Mordserie, bei der in mehreren Zusammenhängen ebenfalls zwei tatverdächtige Männer mit Fahrrädern oder Fahrradkleidung auftauchten, gebracht werden müssen. Wäre dieser Spur rechtzeitig und umfassend nachgegangen worden, hätten das rechtsextremistische Motiv erkannt, eine Verbindung zum Trio hergestellt und vielleicht weitere Morde verhindert werden können – so auch der Mord an Mehmet Kubasik im April 2006. Stattdessen sind die Ermittlungsbehörden ausführlich und akribisch Spuren nachgegangen, welche mit der Prämisse verbunden waren, dass die Täter zwingend aus dem Umfeld der Opfer kommen müssen, insbesondere selbst einen Migrationshintergrund haben müssten. Dieses Verhalten der Behörden belegt das grundlegende Problem von strukturellem Rassismus bei den vorliegenden Ermittlungen.“

Abschließend wurde der Vernehmungsbeamte einer Zeugin im Mordfall Özüdogru gehört. Diese Nachbarin des Schneiderladens hatte zuvor in der Hauptverhandlung widersprüchliche Angaben dazu gemacht, wen sie am Tatort gesehen habe.

Am Ende des Verhandlungstages wurde noch der Zeuge vernommen, der den schwer verletzten Enver Simsek gefunden und versucht hatte, ihn durch erste medizinische Hilfe zu retten.