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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 11.07.2013

Leitender Ermittler aus München spricht von „Türkenmafia“ und Drogenhintergrund. Fehlerhafte Ermittlungen sieht er nicht. Nachmittags wurde mit Pinar Kilic die erste Nebenklägerin als Zeugin vernommen.

Zunächst hörten wir heute den ehemaligen Münchener Kriminalbeamten Wilfling, der im Fall Kilic ermittelt hatte. Etwa hundert Meter von einer Polizeidienststelle wurde am 29. August 2001 Habil Kilic mit zwei Kopfschüssen getötet. Unmittelbar vorher müssen noch Kunden im Frischemarkt von Herrn Kilic eingekauft haben. Anhand der Tatortfotos und der umfangreichen Spurensicherung betonte der Zeuge mehrfach, wie „akribisch“ man gearbeitet habe. Man habe zunächst auf falsche Hinweise einen „Mulatten“ als Tatverdächtigen gesucht, der sich mit einem Auto schnell vom Tatort entfernt habe. Auch nach einem Türken mit einem „Mongolenbart“ habe man gesucht, der in der Nähe des Tatorts gesehen worden sein soll. Die zwei Fahrradfahrer, die unmittelbar in der Nähe des Tatorts gesichtet worden waren und wie „Kuriere“ ausgesehen hätten, habe man als Zeugen zwar gesucht, aber man könne, so Wilfling, eine Spur nicht verfolgen, bei der es „keine weiteren Anhaltspunkte“ geben würde. Er habe sich einfach nicht vorstellen können, dass es sich bei diesen Fahrradfahrern um die Täter gehandelt haben könnte. Man müsse sich doch in die Lage von damals hineinversetzen und könne nicht so tun, als ob es keine „Türkenmafia“ geben würde, die Drogenhandel betreibe.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Wenn man sich diese Ansichten des Zeugen vor Augen führt, verwundert es nicht, dass die Ermittlungsbehörden über 10 Jahre in die falsche Richtung ermittelt haben. Anstatt zu überprüfen, ob eine Personenidentität zwischen den in Nürnberg beschriebenen Tätern in Fahrradkleidung und den Fahrradfahrern am Münchener Tatort Kilic besteht, wurde „akribisch“ nach Drogen, „Mafia“ und „PKK“ ermittelt. Es ist bezeichnend, dass der Zeuge, ein pensionierter hochrangiger Kriminalbeamte, aussagt, er habe sich einfach nicht vorstellen können, dass die zwei Radfahrer, die wie Kuriere ausgesehen hätten, tatverdächtig sein könnten, stattdessen aber in seinen Vermerken von tatverdächtigen „Mulatten“ oder einem „Türken mit Mongolenbart“ spricht.“

Am Nachmittag sagte Pinar Kilic, die Witwe des ermordeten Habil Kilic aus. Während sie im Urlaub in der Türkei war, betrieb ihr Mann den gemeinsamen Laden in München weiter. Dabei wurde er erschossen. Sie kam zurück und fand ein „Blutbad“ im Laden vor. Das sollte sie selbst sauber machen. Erst habe man ihr erzählt, dass ihr Mann im Krankenhaus sei. Dann habe sie von einer Freundin erfahren, dass er ermordet wurde. Ihre Wohnung sei von der Durchsuchung gekennzeichnet gewesen. Sie konnte dorthin nicht mehr zurück, weil sie Angst hatte. Den Laden habe sie verloren. Ihre Tochter habe Probleme in der Schule bekommen. Sie und ihre Familie hier und in der Türkei seien selbst verdächtigt worden. Sie habe schon Verständnis für die Arbeit der Polizei, aber wie man mit ihr umgegangen sei, wäre nicht in Ordnung gewesen. Die Familie sei „von A-Z“ durchleuchtet worden. Damit habe die Polizei nur Zeit verloren.

Am Ende des Verhandlungstages sagte die Schwiegermutter von Habil Kilic aus. Sie berichtete, dass sie zunächst von der Polizei vernommen wurde, ohne das man ihr erzählt hatte, dass Herr Kilic erschossen wurde. Während der Befragung habe sie erst erfahren, dass ihr Schwiegersohn tot und jetzt in der Autopsie sei. Die Medien hätten sie fertig gemacht. Es ging um Drogen und andere Frauen. "Wer will schon mit einer Mörderfamilie zu tun haben?" fragte die Zeugin. Ihre Enkelin wurde beinahe aus der Schule geworfen, weil man Angst vor weiteren Taten hatte.