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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 01.08.2013

Familie Simsek wurde systematisch abgehört, überwacht und ausgeforscht, weil man das „Gefühl“ hatte, von ihnen nicht alle Informationen zu bekommen. Die Spur der von Zeugen beschriebenen Fahrradfahrer oder die These eines rassistischen Tatmotivs verfolgte man nicht.

Heute wurde zunächst EKHK Vögeler, ein leitender Kriminalbeamter aus Nürnberg, der Mitglied in der „BAO Bosporus“ und der „SOKO Halbmond“ war, gehört. Beginnend mit der Frage nach der Persönlichkeit des getöteten Enver Simsek, führte Vögeler zunächst allein aus, dass es den Verdacht eines Steuervergehens gegeben habe. Die Witwe hätte nach seinem Tod Steuerschulden zurück zahlen müssen. Vögeler machte deutlich, dass er umfangreiche Ermittlungen im Umfeld der ermordeten Enver Simsek und Abdurrahim Özüdogru durchgeführt hatte. Es ging um die Frage, ob es Hinweise auf einen Tathintergrund im Bereich der Organisierten Kriminalität gab. Insbesondere vermutete Vögeler, dass es Drogengeschäfte sein müssten, die das Tatmotiv erklären. Ermittlungen wurden bis in die Türkei, in die Niederlande und nach England geführt – ergebnislos. Ohne konkrete Anhaltspunkte wurde die Familie Simsek systematisch abgehört und überwacht. Der Spur der beiden Fahrradfahrer verfolgte er nicht. Inzwischen ist er vom KHK zum EKHK befördert worden.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Die Aussage von EKHK Vögeler belegt das Phänomen des institutionellen Rassismus. Für den Ermittler war „klar“, dass die Familie vermeintlich Angaben zurückhält. Er hatte kein Problem damit, ihre Telefone abzuhören, sie zu observieren und sogar ihr Auto zu verwanzen. Die Familie hatte auf mögliche rassistische Motive hingewiesen. Zwei Fahrradfahrer, die von mehreren Zeugen im Zusammenhang mit Schussgeräuschen gesehen wurden, interessierten ihn nicht. Es musste Organisierte Kriminalität sein. Herr Vögele ließ keinerlei Bedauern oder Schuldbewusstsein erkennen. Dass dieser Beamte immer noch eine leitende Funktion ausübt, zwischenzeitlich sogar befördert wurde, zeigt, dass Behördenführung und Politik das grundsätzliche Problem verkannt haben. Solange solche Ermittlungen weiter von Beamten mit derartigen Vorurteilen geführt werden, wird sich das katastrophale Versagen der Behörden im Rahmen der Tatserie des NSU auch in Zukunft fortsetzen.“

Desweiteren hörten wir den ersten Zeugen aus Rostock zum Mord an Yunus Turgut am 25. Februar 2004. Er hatte aus seiner Wohnung Schüsse gehört und sich bei der Polizei gemeldet. Die Schüsse hatte er zunächst als „nichts besonderes“ in dieser Gegend eingeschätzt. Er habe das eindeutig von Böllern unterscheiden können. Als er aus seinem Fenster sah, habe er nichts beobachten können.