Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 21.11.2013
Andre K. will Zschäpe als Umweltaktivistin und die Neonaziszene als Opfer der „Linksradikalen“ bzw. der Gesellschaft darstellen. Ausländer vergleicht er mit „Unkraut“, das man von der Wurzel her bekämpfen müsse. Wohlleben sei eine „Friedenstaube“.
Für den heutigen Tag war allein Andre K. als Zeuge geladen. Er erschien mit seinem Zeugenbeistand, Rechtsanwalt Waldschmidt, einem Funktionär der hessischen NPD. Zögerlich berichtete er, dass er Carsten S., Holger G., Wohlleben, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe kannte. Sie wären eine „Jugendclique“ gewesen. Man wäre dann gemeinsam zu Veranstaltungen, Konzerten und Demonstrationen gefahren. Sie hätten sich auch politisch entwickelt. Flugblätter hätte sie als Kameradschaft Jena verteilt. Es hätte einige weitere Mitglieder, insgesamt so 20-25, gegeben. Es ging um „Politik aus nationaler Sicht“: eine „Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen“. „Der Zuzug von Ausländern“ sei „nicht besonders förderlich“ gewesen. Andre K. stellte sich und die anderen als Opfer von „Linksradikalen“ dar. Die Kameradschaft Jena sei ein loser Zusammenhang gewesen, der im Wesentlichen Flugblätter verteilte und an Demos teilnahm. Gewalt sei nur von der anderen Seite gekommen. Ende der 90iger Jahre gab man den Aktivitäten den Namen „Nationaler Widerstand Jena“. Als Konstante seien er und Wohlleben dabei gewesen. Sie wären von allen Seiten drangsaliert worden, bis hin zum Vereinsverbotes. Von der Polizei wäre er auch schon zusammen geschlagen worden. Es hätte „Spontandemonstrationen“ gegen die JG Jena und ihren Jugendpfarrer König gegeben, weil das ein „Rückzugsort für Linksradikale“ gewesen sei. Zschäpe habe er als netten Menschen kennengelernt und geschätzt. Sie habe ihre Meinung gehabt und diese auch kundgetan, sei aber kein maßgeblicher Faktor gewesen. Auf mehrfache Nachfragen des Vorsitzenden, was denn nun eigentlich Zschäpes politische Überzeugungen waren, wich Andre K. immer wieder aus, bis er letztlich behauptete, es sei um Engagement gegen Atomkraft gegangen. Das war dann auch dem Vorsitzenden zu viel und er ordnete eine Denkpause für den Zeugen an.
Danach eierte Andre K. weiter zu den damaligen Themen rum. Damals seien Ausländer in „Mitteldeutschland“ schon ein wichtiges Thema gewesen. Wohlleben sollte in die Kommunalpolitik gehen, der könne gelassener diskutieren. Er selbst sei da aufbrausender, wolle sich nicht „jeden Scheiß“ anhören. Dem „Ausländer selbst“ hätten sie nicht die „Schuld“ gegeben, dass er hier ist. Dafür seien Politik und Wirtschaft verantwortlich. Andre K. erklärte dann, dass man „Unkraut ja auch nicht an den Blättern, sondern an der Wurzel bekämpft.“ Der „Ausländer an sich“ sei grundsätzlich nicht das „Feindbild“.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Andre K. versucht die Neonaziszene als Opfer von Verfolgung und Repression in Deutschland darzustellen. Er schafft es zumindest auf Befragung nicht, sein rassistisches Weltbild zu verhehlen. Seine Aussage war davon getragen, die Angeklagten – in erster Linie Wohlleben und Zschäpe – in Schutz zu nehmen. Das hat er nicht geschafft. In weiten Teilen war er vollkommen unglaubwürdig. Bei konkreten Nachfragen, wich er zunächst aus, redete sich dann aber selbst und die Angeklagten mehr und mehr in die Verantwortlichkeit.“
Uwe Mundlos habe er als charakterstark empfunden. Böhnhardt sei gerade aus dem Gefängnis gekommen, als er ihn kennenlernte. Der habe ein Faible für Waffengeschichten gehabt. Es habe ja auch Auseinandersetzungen mit diesen „Linksradikalen“ gegeben. Da habe man auch mal eine Schreckschusspistole umgebaut. Die konnte man dann „aus der Distanz“ schon mal „zur Entschärfung“ einsetzen.
Man habe dann versucht, das politische Engagement ein bisschen zu professionalisieren. Dazu gab es den Thüringer Heimatschutz. Man wollte weg vom dumpfen Skinheadimage. In diese Zeit wären dann auch diese Bombenattrappen gefallen. Die fand er aber wenig produktiv. Allen war klar, dass die beiden Uwes diejenigen waren, die das machen. Es gab da aber keine Diskussion darüber im Freundeskreis. Er meinte aber, dass das nicht sonderlich zielführend sei mit diesen Attrappen. Dann kam der Tag mit der Garagendurchsuchung und die Drei waren weg. Zschäpe war seiner Meinung nur deshalb mit abgehauen, weil sie mit dem Uwe leiert war. Er habe das Bombenbauen mehr so als „jugendliche Spinnerei“ abgetan. Die zu erwartende Strafe dafür war seiner Meinung nach zu hoch, deshalb hat er geholfen. Es gab dann Kontakt per Telefon. Sie kümmerten sich gemeinsam um eine neue Bleibe. Tino B. kam auf ihn zu. Er sollte zu Frank S. fahren und über ihn eine Unterkunft im Ausland organisieren. Das sei aber eine Nullnummer gewesen. Es sei nichts rausgekommen. Später sollte er Ausweispapiere besorgen. An einer Tankstelle habe er sich mit einem Ausweislieferanten getroffen, der ihm 3 Blankoreisepässe gegeben hat. Aus der Hooligenszene in Jena sollte die Pässe dann jemand für die Drei modifizieren. Die Blankopässe seien aber davor aus dem Auto gestohlen worden, ohne dass Einbruchsspuren ersichtlich waren.
Das Unterstützerumfeld sei dann größer geworden, insbesondere Carsten S. wäre dazu gekommen. Das sei ihm zu viel gewesen, weshalb er ausgestiegen sei. Er habe später nicht als der dastehen wollen, der die Drei verpfiffen habe. Ab 1998 habe er gar keinen Kontakt mehr gehabt. Das nächste was er von den Dreien gehört habe, wäre nach dem Überfall in Eisenach und dem Suizid der beiden Uwes am Montag nach dem 04.11.2013 gewesen. Am 04.11.2013 habe er selbst ein Auto gekauft und sei über Eisenach zurück gefahren.
Der telefonische Kontakt sei über Telefonzellen gelaufen. Sie hätte in der rechten Szene ein Netzwerk aus solchen Telefonzellen aufgebaut um ein Mithören der Polizei und des Verfassungsschutzes zu vermeiden. Er sei angerufen worden. Wie es dazu kam, worum es ging und mit wem er gesprochen hat, wisse er nicht mehr. Auch ob er mit Wohlleben darüber gesprochen hat, wisse er angeblich nicht mehr. Er wäre mit einem weiteren Mann nach Südafrika zu Claus N. gefahren. Dort wäre die Möglichkeit gewesen, für die Drei unterzukommen. Was danach gesprochen und verabredet worden ist, wisse er alles nicht mehr. Mit Wohlleben sei das natürlich Thema gewesen. Mehr will er nicht erinnern.
Es war Gesprächsthema, dass Geld für die Drei gebraucht werden würde. Auch Tino B. wäre in die Geldversorgung mit einbezogen worden, hätte Geld zur Verfügung gestellt. Sie hätten gesammelt und das dann weiter gereicht.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Tino B. war nach bisherigen Erkenntnissen V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und wurde nach eigenen Angaben nicht unerheblich für seine Tätigkeit entlohnt. Zur Ergreifung der flüchtigen Rechtsterroristen führte die V-Mann-Tätigkeit von Tino B. nicht. Allerdings brachte sie ihm genug Geld ein, um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt im Untergrund zu unterstützen.“
Zwei Frauen von Blood & Honour hätten mit Konzerten Geld für die Drei gesammelt. Er sei selbst in Verdacht geraten, Geld für die Drei nicht weitergeleitet zu haben. Die Vernehmung wurde zunächst unterbrochen und wird am 20.12.2013 fortgesetzt.
 
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