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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 26.11.2013

“Gerri“, „Max“ und „Liese“ unauffällig im Untergrund: Nachbar und Urlaubsbekanntschaften bestätigen, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gleichberechtigt auftraten. Zschäpe hat das Geld verwaltet.

Am Beginn des heutigen Hauptverhandlungstages beantragte die Verteidigung von Zschäpe, dass sich der psychiatrische Sachverständige Prof. Saß weiter weg setzen möge. Er könne die Verteidigergespräche mithören. Dieser Behauptung widersprach sowohl der Sachverständige, als auch der Vorsitzende, der in etwa gleicher Entfernung zur Verteidigung sitzt. Gleichwohl setzte sich Prof. Saß um.

Danach wurde ein ehemaliger Nachbar des Trios aus der Frühlingsstraße 26 vernommen. Zschäpe, die sie damals nur Didl-Maus – ihr Nachname soll „Dienel“ gewesen sein - nannten, sei freundlich und für ihn unauffällig gewesen, habe oft in der gemeinsamen Runde im Keller oder hinterm Haus getrunken. Ihre zwei Mitbewohner hätten kaum Kontakt mit den anderen Bewohnern gehabt. Wer von den beider ihr Freund gewesen sei, wisse er nicht. Die drei seien öfter mit Wohnmobilen oder einem VW-Bus im Urlaub gewesen. Surfbretter und Fahrräder hätten sie mit an die Ostsee genommen. Im Keller habe ein Hitlerbild gestanden. Das haben alle normal gefunden. Jeder wusste ja, wer das war. Darüber oder generell über Politik gesprochen wurde nicht. Das Bild gehörte seinem verstorbenen Bruder. Es stand dort als Erinnerung. Es sei das „einzige Verwertbare“ gewesen. Auf Nachfrage erklärte der Zeuge, dass auch ein Aschenbecher mit der Aufschrift Stammtisch aus der Wohnung seines verstorbenen Bruders in den Keller geräumt wurde.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Die Bundesanwaltschaft wirft Beate Zschäpe insbesondere die Abtarnung der Aktivitäten des Trios nach außen vor. In der Frühlingsstraße in Zwickau musste sie sich dafür allerdings nicht allzu große Mühe geben. Das Hitlerbild über dem Stammtisch war normal – das „einzig Verwertbare“. Über Politik wurde sich angeblich nicht unterhalten.

Im Anschluss wurde ein Zeuge vernommen, der das Trio auf dem Campingplatz auf Fehmarn kennengelernt hat. Er beschrieb die Drei als freundlich und hilfsbereit. Vorgestellt hätten sie sich als Liese Emminger, Spitzname Liese, Holger Gerlach, alias Gerri, und Max. In den Medien habe er sie später eindeutig als Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wiedererkannt. Mundlos und Zschäpe hätten viel mit ihnen gequatscht. Es sei viel um die Zeit in der ehemaligen DDR gegangen, die er persönlich nicht kannte. Persönliches wurde wenig besprochen. Mundlos sei Computerfreak gewesen. Zschäpe habe von ihren Katzen gesprochen. Sie seien viel Fahrrad gefahren. Irgendetwas hätten sie immer zusammen gemacht. Die Zeit nach der Wende im Osten sei Thema gewesen. Es sei viel Chaos beschrieben worden. Über Politik im eigentlichen Sinne oder über das Thema Ausländer sei nicht gesprochen worden. Böhnhardt hingegen sei eher still gewesen, habe sich mit Technik ausgekannt. Er selbst habe aber eher mit Mundlos Kontakt gehabt, weil er wie er Surfer gewesen ist. Die Drei seien alte Freunde gewesen, die zusammen Urlaub machten. Ob es eine weitere Beziehung gab, weiß er nicht. Die drei wären ein „Team“ gewesen und wären sehr freundlich miteinander umgegangen. Sie haben erzählt, dass sie aus Zwickau kommen und der Vater von Mundlos Professor ist. Auffällig sei gewesen, dass die Drei immer bar bezahlt und auch größere Geldbeträge bei sich geführt haben. Böhnardt habe auffällige Tätowierungen mit Totenköpfen und Stahlhelm als Jugendsünden abgetan. Irgendwann wäre diese Tätowierungen „übermalt“ gewesen.

Eine weitere Zeugin berichtete von ihrer Urlaubsbekanntschaft mit Liese, Max und Gerri auf dem Campingplatz auf Fehmarn. Gerri, den sie später als Böhnhardt wiedererkannte, habe erzählt, dass er Kurierfahrer sei. Max hätte Ahnung von Computern gehabt. Bei Liese, alias Zschäpe, sei sie davon ausgegangen, dass sie im Verkauf arbeite. Sie seien Freunde gewesen. Eine weitergehende Beziehung sei ihr nicht aufgefallen. Sie hätten erklärt, dass sie in drei verschiedenen Wohnungen wohnen würden. Zschäpe habe die Jungs „bemuttert“. Gerri war handwerklich geschickt. Er habe auch ein Nachtsichtgerät mitgehabt. Max war ein sportlicher Typ. Das Geld verwaltet hat Frau Zschäpe. Sie hat stets bezahlt. Auch wenn etwas mit eingekauft werden sollte, hat sie Frau Zschäpe das Geld dafür gegeben. Einer der drei erzählte, dass die Männer am Beginn in die Urlaubskasse einzahlen würden und Zschäpe das Geld kontrolliere. Alle drei wären im Kräfteverhältnis zueinander ausgeglichen – sie wären gleichberechtigt gewesen. Sie habe von Zschäpe auch eine Handynummer bekommen und auch einmal angerufen. Dran sei der Gerri gewesen, was sie verwundert habe.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

“Die Zeugen bestätigen die Rolle von Zschäpe, die ihr auch in der Anklage vorgeworfen wird. Sie war auch in der Freizeit gleichberechtigt mit Mundlos und Böhnhardt. Jeder hatte in der Gruppe eine klar zugewiesene Funktion. Zschäpe – das haben alles Zeugen unisono ausgesagt – war für die Finanzen der Gruppe und den Haushalt verantwortlich.“

Eine weitere Zeugin berichtete ebenfalls, die Drei unter den Namen Liese, Max und Gerri auf Fehmarn kennengelernt zu haben. Sie habe öfter mit ihnen Doppelkopf gespielt. Mit „Max“ alias Mundlos habe sie sich viel über Computer und Informatik gesprochen. Er habe gesagt, dass er Fachinformatiker sei. „Gerri“ alias Böhnhardt stellte sich als „Holger Gerlach“ vor. Er behauptete, dass er Kurierfahrer sei. Liese, alias Zschäpe, habe erklärt, sie arbeite für ihre Eltern. Zwischen den Dreien habe eine Rollenverteilung geherrscht. Gerri wäre eher der ruhige Einzelgänger gewesen. Er war der einzige, der Auto fuhr, immer sehr genau nach Vorschrift, um nicht aufzufallen. Liese habe sich fürsorglich um die anderen, inniger aber um Gerri, gekümmert. Sie hatte eine dicke Geldbörse mit vielen Scheinen. Die beiden Männer hat sie nie bezahlen sehen, dass wäre „Lieses“ Aufgabe gewesen. Max habe einmal erzählt, dass er früher viel „Blödsinn“ gemacht habe und deswegen nicht habe studieren können. Auf der Rückfahrt wären die drei einmal zum Geburtstag der Tochter in Peine, in der Nähe von Hannover, vorbeigekommen. Sie hätten erzählt, dass sie gleichzeitig auch einen Freund in Hannover besucht, ihn abgeholt und mit in den Urlaub genommen hätten. Als sie 2011 mitbekamen, mit wem sie ihre Urlaube verbracht haben, habe sie sich mit ihrem Mann sofort bei der Polizei gemeldet.

Auch der letzte Zeuge des heutigen Hauptverhandlungstages bestätigte die Angaben der weiteren Urlaubsbekanntschaften vom Campingplatz der Insel Fehmarn. Er hatte auch per e-mail Kontakt zu „Max“, weil er fachkundig in Sachen Computerhardware war. Telefoniert hätte er mehrmals mit „Gerri“, um abzustimmen, wann sie im Urlaub sind. Auf seinen Fahrten als Kurierfahrer wäre der Gerri bzw. die Drei mehrfach unangemeldet vorbei gekommen. Einmal hätten sie berichtet, dass sie einen Freund aus Hannover abholen wollten.

Im Anschluss gaben wir zusammen mit mehreren weiteren Nebenklagevertreterinnen und Vertretern eine Erklärung zur Vernehmung von Brigitte Böhnhardt ab.