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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 18.12.2013

Siegfried Mundlos beschreibt seinen Sohn als ehrlich und naiv, vor allem aber als Opfer der Umstände

Der Tag sollte eigentlich mit der Videovernehmung der Zeugin E. aus Zwickau beginnen. Die betagte Frau lebt inzwischen im Altersheim und ist nur noch sehr begrenzt vernehmungsfähig. Sie war die unmittelbare Nachbarin von Zschäpe in der Frühlingsstraße und hätte bei der Explosion ums Leben kommen können. Aufgrund technischer Probleme wurde die Videovernehmung auf den morgigen Tag verschoben.

Mit Verspätung begann dann die Vernehmung von Siegfried Mundlos, dem Vater von Uwe Mundlos. Mundlos wollte seine Aussage mit eigenen Statements beginnen, wurde aber vom Vorsitzenden mehrfach unterbrochen und auf seine Position als Zeuge hingewiesen. Er sehe sich und seine Familie selbst als Verletzte. Sein Sohn wäre „extrem ehrlich“ gewesen, habe in der Wende gegen das „DDR Regime systemkritisch gekämpft“. Dann sei er in die rechte Szene abgedriftet. Zschäpe sei die erste Freundin von Mundlos gewesen. Die wäre lieber mit einem neutraler gekleideten Mann in die Disko gegangen, sagt Mundlos. Er habe gehofft, dass Zschäpe seinen Sohn aus der rechten Szene raus hole. Behauptungen, dass sein Sohn schon zu DDR Zeiten „Fascho“ gewesen sei, wären von ehemaligen Stasi-IM's ausgedacht. Sein Sohn sei nicht mit einfachen Diebstählen und „sinnloser“ Randale aufgefallen. Sein Umfeld aber schon. Er habe dann versucht, den jungen Leuten sinnvolle Freizeitangebote anzubieten. Zum Beispiel habe er sie zum Camping-Urlaub gefahren oder einen Wochenendtreff am Baggersee organisiert. Seine „vernünftigen Alternativen“ seien gut angekommen.

Das rechte Gedankengut habe ihn geärgert. Bis 1994 hätte Beate nicht rechts gewirkt, sie sei aus seiner Sicht mehr dem linken Spektrum zuzuordnen gewesen, weil sie ja auch einen rumänischen Vater gehabt habe und kinderlieb gewesen sei. 1994 wäre Uwe zur Armee gekommen. Dort habe er sein rechtes Aussehen und seine Ideologie nicht verborgen. Sein Kommandeur habe in die Abschlussbeurteilung hineingeschrieben, dass Mundlos noch seine rechte Gesinnung aufgeben könne, noch nicht so tief darin verwurzelt sei. 1994 wollte sein Sohn zu seinen Freunden nach Chemnitz fahren. Dabei habe er eine „Visitenkarte mit Charlie Chaplin“, dargestellt als Hitler dabei gehabt. Er habe ihm abgeraten, dass mit zu nehmen, weil nicht alle den „Witz“ verstehen würden. Danach sei die gemeinsame Wohnung durchsucht worden. Siegfried Mundlos sei dann nach Chemnitz gefahren, dort sei sein Sohn mit vielen anderen „jungen Leuten“ aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Zu Unrecht wäre sein Sohn allein wegen der Visitenkarte verurteilt worden. Die „Herren von der Presse“ hätten das alles falsch dargestellt.

Er habe die Hoffnung gehabt, dass Uwe Mundlos mit dem Studium aus der Szene aussteigen würde. Andere hätten ihn aber davon abgehalten. Insbesondere Tino B., der V-Mann war, habe seinen Sohn und die anderen „jungen Leute“ verführt, zu rechten Konzerten gebracht. Nach der Armeezeit seines Sohnes seien Böhnhardt und Zschäpe tiefer in der rechten Szene gewesen und hätten mit seinem Sohn viel Kontakt gehabt. Auch zu seinen „alten Kameraden“, André K. und Wohlleben habe er Verbindung gehalten. Als Art „soziale Arbeit“ sei sein Sohn in der Gefangenenbetreuung aktiv gewesen. Darüber habe er auch Thomas S. kennengelernt, der großen Einfluss auf ihn gehabt habe, weil sein Sohn ihm Briefe in die Haft geschrieben hat. Den habe er aus der rechten Szene in Chemnitz kennengelernt. Stefan A., den Cousin von Zschäpe, habe er von Erzählungen seines Sohnes her gekannt. Er habe später von jemand zufällig erfahren, dass Stefan A. Tippgeber der Polizei gewesen sei. Uwe Mundlos habe Stefan A. später nicht mehr leiden können, auch weil der trinke, klaue und mit der Polizei zusammen arbeite. Nur weil der Verfassungsschutz soviel Geld in die Rechten gesteckt habe, hätten die sich so entwickelt, allein hätten sie sich das finanziell gar nicht leisten können. Sein Sohn oder Zschäpe seien nur „Platzhalter“ gewesen.

“Die jungen Leute“ wären der Auffassung gewesen, sie könnten in Deutschland die Macht übernehmen, beispielsweise durch erfolgreichen Wahlkampf. Er habe das aber für unrealistisch gehalten, weil einen in der Politik ja dann immer der Alltag einhole. Seinen Sohn habe gestört, dass viele Eltern seiner Freunde arbeitslos seien. Nach der Wende habe es einige „kräftig durchgeschüttelt“, da müsse man Verständnis dafür haben, dass man die Orientierung verlieren könne. Sein Sohn sei sehr ehrlich und naiv gewesen, was sich beispielsweise an einer Situation belegen lasse, als er fünf Jahre alt war.

Frau Böhnhardt habe damals seinen Sohn angestiftet, Uwe Böhnhardt ein falsches Alibi in dem Strafverfahren zu geben, in dem es um einen aufgehangenen Puppentorso mit einer Bombenattrappe ging. Böhnhardt sei seiner Meinung nach eine „tickende Zeitbombe“ gewesen, dass hätten auch die Freunde seines Sohnes gesagt. Auf die Nachfragen des Vorsitzenden sagte Herr Mundlos: „Sie sind ein kleiner Klugsch...“. „Sie können mich ruhig Professor nennen!“. Der Vorsitzende drohte ihm Ordnungsmittel an, blieb jedoch im wesentlichen gelassen, fragte konsequent weiter. Immer wenn es um konkrete Nachfragen ging, reagierte Mundlos und der Regel ausweichend, bezog sich auf Medienberichte oder Erkenntnisse aus den Untersuchungsausschüssen.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Der Vater von Uwe Mundlos hat uns seine krude Sicht der Entwicklung seines Sohnes geschildert. Die Aussagen grenzten an Realitätsverlust. Jegliche Verantwortung seines Sohnes für die Morde und Anschläge wird völlig ausgeblendet, vielmehr auf Andere oder die äußeren Umstände verschoben. Mundlos scheint ferner der politischen Einstellung seines Sohnes im Wesentlichen unkritisch gegenüber gestanden zu haben. Dennoch ist seine Aussage nicht vollkommen unbrauchbar. Insbesondere für die Frage der Einbindung weiterer Unterstützer in den NSU, insbesondere André K., Tino B. und Wohlleben kann sie zumindest indiziell belastende Bedeutung haben.“

Weiter erklärte der Zeuge, dass der Verfassungsschutz seinen Sohn rund um die Uhr beobachtet habe. Selbst in seiner Armeezeit habe man ihm so zugesetzt. Diese Art von „Psychoterror“ habe dazu geführt, dass sich sein Sohn mit anderen die Kennzeichen der Zivilfahrzeuge der Polizei zu notieren hat und dabei von der Polizei zusammengeschlagen worden sei.

Wohlleben habe sein Auto für die Flucht des Trios zur Verfügung gestellt. Deswegen habe er ihn noch ca. 1 ½ Wochen zur Arbeit gefahren, aber nicht den Eindruck gehabt, dass er in die Sache tiefer eingebunden sei. Auf die Frage des Vorsitzenden, wie er darauf kam, meinte er, dass Wohlleben eher auf parteipolitischem Weg unterwegs gewesen sei. Von Familie Böhnhardt sei er schwerstens enttäuscht, weil die sich nicht gemeldet hatte, als es die Bestrebung gegeben hätte, dass die Drei sich stellen könnten. Frau Böhnhardt habe als Lehrerin andere „junge Leute“ in die Strafbarkeit getrieben, weil sie Geldbote beschäftigt hatte. Das Ehepaar Böhnhardt, wahrscheinlich Frau Böhnhardt, habe erzählt, dass die drei in Mecklenburg bei Verwandten wären. Diese „Märchen“ habe er damals geglaubt.

Der Zeuge erklärte dann, er habe Mitgefühl mit den Opfern und wolle ja auch, dass die Sache aufgeklärt werde, denn eigentlich gäbe es ja 12 Opfer, gemeint waren wohl Mundlos und Böhnhardt.

Die Vernehmung wird morgen fortgesetzt.