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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 23.01.2014

Der Vater von Uwe Böhnhardt: Die Drei wollten „ums Verrecken“ keinen Deal, sie wollten sich alle nicht stellen.

Der Vater von Uwe Böhnhardt war am heutigen Tag der einzige geladene Zeuge. Er berichtete zunächst zur Entwicklung seines Sohnes. Böhnhardt sei ein aufgeweckter sportlicher Junge gewesen. Ab der sechsten Klasse hätten die Probleme angefangen. Da hätte er ältere Freunde gefunden, die einen schlechten Einfluss auf ihn gehabt hätten. Er sei mit Schuleschwänzen und Straftaten aufgefallen und habe dann in in die Haft gemusst. Er hätte gehofft, dass würde helfen. Zuvor hatten sie versucht, ihn in einem Heim unterzubringen. Das hätte aber auch nicht funktioniert. Keiner wollte das „Problemkind“ haben. Die Haft sei für seinen Sohn sehr belastend gewesen. Er habe nach jedem Besuch geheult. Danach sei er ein anderer gewesen, sei ihm härter vorgekommen. Er habe dann mehrfach erfolglos Arbeit gesucht, sei sogar bei eine Drückerkolonne gelandet. Von dort habe er ihn zurück geholt.

Mit Zschäpe und Mundlos habe Böhnhardt eine Freundschaft begonnen. Er fand das zwar „nicht erstrebenswert“, aber es waren doch nette junge Leute. Die politische Einstellung schwebte so am Rande mit. Springerstiefel und Bomberjacke waren zu der Zeit normal. Es liefen alle so rum. Das habe er gar nicht unterscheiden können. Irgendwann sei es dann ziemlich eskaliert. Aber im Haus und im Garten habe es keine Probleme gegeben. Uwe habe sich an die häuslichen Vorgaben gehalten.

Sein Sohn sei bei Nazidemos mitten drin gewesen, Tino B. in der ersten Reihe. Dass es aber so krass mit der rechten Gesinnung gewesen wäre, wie sich später herausgestellt hat, hätte er nicht gedacht. 1997 sei Uwe Böhnhardt zu einer erneuten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seit 1998 sei er in den Untergrund gegangen. Das sei als die Durchsuchung der Garage kam gewesen, was auch der Grund für die Flucht gewesen wäre. Bei dieser Durchsuchung sei er selbst aber nicht zugegen gewesen.

Sein Sohn habe seiner Meinung nach nicht viel mit Waffen zu tun gehabt. Er habe nur mal von einem Taschenmesser, einem Hirschfänger oder einer „Zwille“ gehört. Die ganzen Waffen, die sie aus der Wohnung herausgeholt haben, können da eigentlich nicht gewesen sein. Er habe jedenfalls davon nichts mitbekommen. Öfter sei seinem Sohn „mal die Hand ausgerutscht“ oder auch „mehr“. Das habe er nicht gut gefunden. Sein Sohn habe immer gesagt, dass das alles nicht so schlimm sei. Mehrfach sei die Wohnung durchsucht worden, gefunden hätte die Polizei aber nicht viel.

Uwe Mundlos sei sehr intelligent gewesen, Zschäpe eine nette freundliche junge Frau. Er hatte eigentlich gehofft, dass die beiden einen guten Einfluss auf ihren Sohn haben. Dann habe er aber ca. 1996-97 Fotos gesehen, auf denen auch Mundlos und Zschäpe auf rechten Demos mit dabei waren. Über Politik habe er aber mit den beiden nicht viel gesprochen. Wenn, dann sei geantwortet worden, dass die drei ihre rechte Meinung „im Rahmen der Gesetze“ vertreten würden. Zschäpe habe gewusst, „was eine Frau machen müsse“: kochen, waschen, bügeln. Sie habe auch mal mit angepackt. Sie habe berichtet, dass sie eine schwere Kindheit gehabt habe. Der Vater fehlte, sei Ausländer gewesen. Zur Mutter habe sie ein kühles Verhältnis gehabt, sei eher ein Omakind gewesen.

André K., Holger G. und Wohlleben wären auch mit seinem Sohn befreundet gewesen. Mit dem Ehepaar Mundlos haben sie sich nach dem Abtauchen der Drei nur einmal getroffen und unterhalten. Dabei sei rausgekommen, das der Vater Mundlos meine, dass sein Sohn damit nichts zu tun habe, allein von Uwe Böhnhardt mit reingezogen worden sei. 90 % hätte Herr Mundlos geredet, eigentlich niemanden zu Wort kommen lassen. Mit der Mutter von Zschäpe hatte er keinen Kontakt.

Sie hätten dann nach dem Untertauchen mehrfach Kontakt mit den Dreien gehabt, sie immer wieder aufgefordert, sich zu stellen. Als Antwort kam von allen aber nur: „Nein, wir bleiben!“ Sie seien nicht zu bewegen gewesen. Sein Sohn habe mitgeteilt, dass es ihnen gut geht und das sie nicht zurück kommen wollten. Es gab circa 3-5 Telefonate und drei Treffen. Die Verabredungen erfolgten in der Regel über Zettel im Briefkasten. Bei den Treffen in Chemnitz sahen die Drei nicht wirklich gut aus. Die Zeit im Untergrund habe ihnen zu schaffen gemacht. An Frau Mundlos sollten sie Grüße ausrichten, an den Vater von Uwe Mundlos nicht.

Der Verfassungsschutz habe mehrfach Kontakt zu ihm und seiner Frau aufgenommen. Auch ein Rechtsanwalt habe sich um einen Deal mit der Staatsanwaltschaft bemüht. Der sei aber geplatzt. Sie hatte nochmal mit „den Kindern“ gesprochen, die wollten den Deal „nicht ums verrecken“. Sie wollten alle drei nicht „in den Bau“, wollten zusammen im Untergrund bleiben.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Die Aussage des Vaters von Uwe Böhnhardt belegt, dass alle Drei, also auch Beate Zschäpe, gemeinsam entschieden haben, im Untergrund zu bleiben, sich nicht zu stellen, ihr Leben nicht zu legalisieren. Er schildert aus den Treffen eine Entscheidung, die alle Drei gleichermaßen getroffen haben. Einen Meinungsführer gab es nicht. Das stützt als weiteres Indiz die Anklage, die Zschäpe eine gleichberechtigte Rolle in der Gruppe beimisst. Die Aussage von J. Böhnhardt war durchaus besser nachzuvollziehen, als die seiner Frau. Er gab zwar an, viele Dinge nicht mitbekommen zu haben, äußerte aber keine grundsätzlichen Zweifel an der Entwicklung und insbesondere auch Radikalisierung seines Sohnes und der anderen Mitglieder des Trios. Trotz einiger Erinnerungslücken war seine Aussagen im Wesentlichen glaubhaft und nicht davon dominiert, die Rolle seines Sohnes zu bagatellisieren.“

Im Jahr 2002 hatten sie sich nochmal an einem Wochenende getroffen für längere Zeit. Sie wollten ihn und seine Frau nochmal sehen, wollten auch Fotos der Familie anschauen. Sie haben noch einmal darum gebeten, dass sie zurück kommen. Das lehnten die drei ab und sagten, dass sie fort gehen und sich nicht wieder sehen würden.

Sie haben noch Geld für einen Rechtsanwalt von Zschäpe ausgegeben, damit ein Zurückkommen ermöglicht wird. Sie hätten dem Trio auch Geld überbracht. Auch Kleidung wäre mal bei sei Frau mal abgeholt worden.

Am 05.11.2011 habe morgens das Telefon geklingelt. Seine Frau wäre ran gegangen. Zschäpe erklärte, dass die Uwes tot seien und sie die Nachrichten schauen sollen. Sie habe es wohl eilig gehabt.

Jürgen Böhnhardt erklärte, dass es ihm unendlich leid tut, was passiert sei, was die Uwes getan haben. Er kann sich in die Situation der Ungewissheit hineinversetzen. Sein erster Sohn Peter sei auch tot aufgefunden worden und er habe nie eine Erklärung bekommen, woran er gestorben sei. Sein zweiter Sohn Uwe habe viel Unrecht angerichtet, habe gemeingefährliche Dinge getan. Letztlich sei auch er erschossen worden. Mit dieser Situation würden sie bis heute nicht zurecht kommen. Bei den Angehörigen der Opfer entschuldige er sich für alles was geschehen sei. Er sei dankbar, dass sie nie behelligt oder bedroht worden sind.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

“Im Vergleich zur Erklärung von Frau Böhnhardt, war das von ihrem Mann ausgesprochene Mitleid und Bedauern gegenüber den Verletzten und Angehörigen der Getöteten durchaus glaubhaft und nachvollziehbar.“