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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 29.01.2014

Die Bundesanwaltschaft verunmöglicht faktisch die notwendige Aufklärung des NSU-Komplexes.

Andreas T, der Verfassungsschützer des LfVH will sich an nichts konkretes erinnern.

Der Tag begann mit der Vernehmung des Intensivmediziners, der Martin A., den in Heilbronn durch einen Kopfschuss schwerstverletzten Polizisten, behandelt hat. Nur durch mehrere Operationen konnte Martin A. gerettet werden. Dafür musste u.a. seine Schädeldecke entfernt und Gewebe aus dem Bein verpflanzt werden.

Danach erfolgten verschiedene Stellungnahmen. So führte die Generalbundesanwaltschaft unter anderem aus, dass sie meine, dass bereits alle wesentlichen Ermittlungen zum Mord an Michéle Kiesewetter und versuchten Mord an Martin A. durchgeführt worden seien. Dabei hätte sich nicht ergeben, dass sich aus den dienstlichen Aufgaben der Beamten, insbesondere aus den Einsätzen der Beamtin Michéle Kiesewetter bei rechten Demonstrationen, Bezüge zum NSU ergeben hätten. Dass die Einsätze auf den rechten Demonstrationen überhaupt nicht ausgewertet wurden, verschwieg die Bundesanwaltschaft in ihrer Stellungnahme. Auch aus dem Bericht der „EG Umfeld“ des LKA Baden-Württemberg, der bislang nur der Bundesanwaltschaft im Verfahren bekannt ist, seien keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen. Einer Beiziehung trete man trotzdem nicht entgegen.

Zudem ging es relativ umfassend vor der Vernehmung von Andreas T., dem Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, darum, dass zunächst weitere Mitarbeiter und auch der ehemalige Leiter des Amtes zu hören seien. Die Kollege Rechtsanwalt Kienzle hatte erst am vorangegangenen Montag in den Räumlichkeiten des Generalbundesanwalts aus den gesonderten Akten gegen T., die dem Gericht nicht vorgelegt worden sind, neue Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnen. Diese Akten dürfen allein in Karlsruhe gesichtet werden, wobei die Nebenklagevertreter darauf verwiesen werden, dass sie sich allein Notizen machen und grundsätzlich keine Kopien fertigen dürfen.

Aus der Telefonüberwachung ergibt sich ein Gespräch von T. mit einem Kollegen aus dem LfVH. Darin geht es darum, dass er gegenüber der Polizei „restriktive“ Angaben gemacht habe. Das Gespräch lässt den Rückschluss zu, dass seitens des LfVH auf die Aussage von T. Einfluss genommen wurde. Es wird davon geredet, dass es um die „Kasseler Problematik“ gehe, in der der Verfassungsschützer „ja ein bisschen drinn“ sitze.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Immer wieder betont die Bundesanwaltschaft, dass alle Akten für die Nebenklagevertreter einsehbar seien. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Es gibt einen erheblichen weiteren Aktenbestand beim BKA und in Karlsruhe. Die Akten können nur dort eingesehen werden. Kopien sind – trotz mehrerer konkret gestellter Anträge - bislang nicht weiter gewährt worden. Die praktische Handhabung dieser Akteneinsicht verunmöglicht eine effektive Aufarbeitung des NSU Komplexes durch die Nebenklage und letztlich auch durch das Gericht. Das Argument, dass das vermeintlich aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung so gehandhabt wird, ist absurd. Das Verhalten der GBA schafft unnötige Konflikte und blockiert die notwendige Aufklärung, zieht das Verfahren damit gerade in die Länge. Transparenz sieht anders aus. Die Bundesbehörde Generalbundesanwaltschaft bricht damit auch das Versprechen der Bundeskanzlerin gegenüber den Opfern des NSU, umfassende Aufklärung zu gewährleisten.“

Die Mehrheit der Nebenklagevertreter drang darauf, dass zunächst die weiteren, durch die Telefonüberwachung bekannt gewordenen Mitarbeiter des LfVH zu vernehmen, bevor mit der Vernehmung von Andreas T. fortgesetzt wird.

Am Nachmittag wurde der Zeuge Andreas T. dann trotz der entgegenstehenden Anträge weiter vernommen. Er berichtete auf Fragen des Vorsitzenden von der Durchführung eines „kognitiven Interviews“ mit einem Psychologen von der Polizeischule in Wiesbaden. Er meinte, er habe dabei möglicherweise seine Erinnerungen mit Dingen durcheinander gebracht, die er später über den Mord gehört hatte.

Nach seinen Erinnerungen habe er sich mit seinen Kollegen vom LfVH nicht über die Sache unterhalten. T. stritt auf Vorhalt zunächst eine Erinnerung an ein Telefonat – wie im Überwachungsprotokoll geschildert – ab. Seine Erinnerungen sei getrübt, weil sein Leben damals auf dem Kopf gestanden habe. Er sei Beschuldigter einer unfassbaren Mordserie gewesen. Danach erklärte er, dass er doch gegenüber seinen Kollegen und Vorgesetzten über die Sache gesprochen habe. Er habe immer seine Unschuld beteuert. Er könne nicht ausschließen, dass er dabei auch über mögliche Details des Falls gesprochen habe.

Auch auf konkreten Vorhalt, dass von „restriktiven“ Angaben gegenüber der Polizei die Rede war, gab er an keine konkreten Erinnerungen daran zu haben und sich darunter auch nichts vorstellen können. Genauso verheilt es sich bei dem Vorhalt, dass ihm vorgegeben wurde, dass er „so dicht wie möglich an der Wahrheit“ bleiben solle.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

“So weit entfernt wie die Aussage des Zeugen von der Wahrheit ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden. Dieser Umgang mit der Wahrheit und deren fehlende Willen zur Aufklärung kennt man nicht nur aus dem hiesigen Prozess, sondern auch aus anderen Verfahren.“