NEWS
 

Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 05.02.2014

Zschäpe lehnt Richter als befangen ab, weil er einen Ordner mit der Aufschrift „HV NSU“ in den Saal trägt.

André Kapke verwickelt sich weiter in Widersprüche.

Der heutige Verhandlungstag war vollständig für die Fortsetzung des Vernehmung von André Kapke vorgesehen. Er schilderte zunächst auf Fragen des Vorsitzenden, dass er am Tag der Flucht einen Anruf von Böhnhardt erhalten habe. Er sei informiert worden, dass eine Hausdurchsuchung bei ihm läuft und dass er bei der ersten Gelegenheit ins Auto steigt und wegfährt. Er wisse nicht mehr, was der genaue Inhalt war. Er sei dann die 200 Meter rüber zu ihm. Im weiteren eierte der Zeuge auf konkrete Fragen des Vorsitzenden rum und machte immer wieder vermeintliche Erinnerungslücken geltend. Kapke sei ja irgendwie auch betroffen gewesen, weil bei ihm so viele „sinnlose“ Hausdurchsuchungen gewesen wären. Er habe nichts davon mitbekommen, wie die weitere Flucht gelaufen sei, insbesondere wo die Drei untergekommen sind. Er habe das auch nie wissen wollen. Abstrakt sei darüber gesprochen worden, ob eine Unterkunft und Flucht nach Südafrika möglich sei. An mehr könne (oder besser wolle) er sich nicht erinnern.

Auf Nachfragen, ob und ggf. wann er Geld u.a. von Frau Böhnhardt in Empfang genommen hatte, um es an das Trio weiter zu leiten, will er daran ebenfalls keine Erinnerung haben. Genauso verhielt es sich mit den Telefonaten aus Telefonzellen zum Trio. Möglicherweise ging es um drei Pässe. Irgendwann seien auch Lichtbilder von den Dreien gekommen. Er wisse noch, dass er auf einmal drei leere Pässe hatte. An Namen erinnere er sich generell schwer. Immer wieder kam nur „Das kann ich ihnen beim besten Willen nicht sagen!“.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“André Kapke setzt sein Aussageverhalten aus der letzten Vernehmung vom 21.11.2013 nahtlos fort. Er macht weitestgehend und vollkommen unglaubhaft Erinnerungslücken geltend, insbesondere dann, wenn es belastend für Wohlleben und Zschäpe oder ihn selbst werden könnte. Die Nazibewegung in Jena stellt er als friedlich und harmlos dar. Seine Aussage steht im Widerspruch zu nahezu allen belegbaren Akteninhalten und bisherigen Zeugen in der Hauptverhandlung. Seine angeblichen Gedächtnislücken sind im Wesentlichen vorgeschoben. Mit seinem unglaubwürdigen Verhalten erreicht André K. sein mutmaßliches Ziel, den Angeklagten mit seiner Aussage zu helfen, jedenfalls nicht.“

Nach einer kurzen Unterbrechung kündigte Rechtsanwalt Heer überraschend an, dass Zschäpe ein Befangenheitsgesuch anbringen wolle. Nach 1 ½ Stunden verlas er dann den Antrag, Richter am OLG Dr. Lang als befangen abzulehnen. Als Grund gab er an, dass der Richter einen Ordner mit der Aufschrift „HV NSU“ in der Hauptverhandlung benutze. Dadurch sei ersichtlich, dass der Richter bereits annehmen würde, dass Zschäpe Gründungsmitglied einer terroristischen Vereinigung sei. Die Verteidigung von Wohlleben und Eminger schlossen sich dem Antrag an.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

Befangenheitsgesuche sind ein legitimes Verteidigungsmittel. Die vorgetragenen Gründe können allerdings nicht ansatzweise überzeugen. Nur weil ein Ordner die Aufschrift „HV NSU“, gemeint: Hauptverhandlung NSU, trägt, kann nicht ansatzweise eine Befangenheit konstruiert werden. Es erstaunt schon, dass nach langer Passivität der Verteidigung nun gerade ein solcher offensichtlich unbegründeter Antrag von ihr für zielführend erachtet wird.

Im Anschluss ging es noch darum, ob die Vernehmung von Kapke heute fortgesetzt wird, was letztlich vom Gericht trotz entgegenstehender Anträge der Verteidigung so entschieden wurde. Erst gegen 14:00 Uhr wurde Kapke dann vom Vorsitzenden weiter vernommen.

Kapke sagte auf Nachfrage aus, dass er 1998 mal eine „Geburtstagszeitung“ von Jana A. und Wohlleben bekommen habe. Darin seien „witzig übertriebene satirische Geschichten“ gewesen. Auch Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und der ganze engere Freundeskreis hätten eine Rolle gespielt. Die Zeitung habe er aufgehoben, weil sie für ihn einen gewissen Stellenwert hatte.

In der Zeitung spielten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eine entscheidende Rolle. Mundlos wurde als „Kofferbauer“, der überall „Koffer stehen lasse“ mit einer Chriffre „18/88“ beworben. „Ja wir konnten auch über uns selber lachen, das war nicht das Problem.“, sagte Kapke dazu. Ignatz Bubis sollte der erste sein, den „Top-Terrorist“ Kapke „brutal ermorden“ sollte. Es sollte alles „ein bisschen überspitzt“ sein. Es sei „das ein oder andere Späßchen gemacht“ worden. Der Text zu dem Bild mit der Überschrift „Die Drei für die Tankstelle“ sie auf Gas aus dem KZ Buchenwald bezogen gewesen. Das Bild zeige Kapke, Holger G. und Mundlos. Das sei genauso wie Aufrufe zum Mord eine „Persiflage“ gewesen.

Auf Nachfrage erklärte der Zeuge, dass es im Thüringer Heimatschutz schon Diskussionen über Gewaltanwendung gegeben habe. Es habe Leute gegeben, die „etwas offensiver“ vorgehen wollten. Auch über die Bildung von Zellen wurde gesprochen. An inhaltliche Positionen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe konnte oder wollte er sich nicht erinnern.

Das Spiel „Pogromoly“ habe er mal gespielt. Die Bahnhöfe seien durch KZ ersetzt worden, es habe SA- und SS-Karten gegeben. Das sei schon von den Dreien entwickelt worden. Es gäbe halt Dinge, „die überspitzt dargestellt“ werden. Ein paar von den Spielen hätte er auch weitergegeben. Wohlleben und Tino B. wären ebenfalls in den Vertrieb eingebunden gewesen.